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Samstag, 3. Januar 2015

Das Wissen der Seele


Der Philosoph René Descartes betrachtet das Gefühl als Ersten Erkenntnisgrund. Sein Satz „Ich denke, also bin ich.“ beruht auf radikalem Zweifeln. Sein Zweifeln aber schenkt ihm existentielle Sicherheit. Wer an allem zweifelt, kann jedoch nicht mehr daran zweifeln, dass er zweifelt. Indem er seines Zweifelns gewiss ist, erfährt es sich auch mit Gewissheit als existent. Descartes räumt also der Seele und nicht etwa der Vernunft höchste Priorität ein.

Das Wissen der Seele beruht nicht wie das Wissen der Vernunft auf Beweisen, sondern auf Intuitionen. Wenn dieses Wissen als existentielle Alternative zum logischen Wissen ernstgenommen werden soll, dann muss die tradierte Bestimmung des Erkennens als Wahrnehmen, Betrachten, Beobachten und Begreifen verändert werden zu Wahrnehmen, Verweilen, Empfinden und Glauben. Im Gegensatz zum logischen Denken in Begriffen ist das schöpferische Denken emotionales Denken in Intuitionen.

Geniale Denker wie Albert Einstein vereinen in sich sowohl begriffliches als intuitives Denken. Einstein bemerkt: "Ohne den Glauben daran, dass es grundsätzlich möglich ist, die Wirklichkeit durch unsere logischen Konstruktionen begreiflich zu machen, ohne den Glauben an die innere Harmonie unserer Welt, könnte es keine Naturwissenschaft geben.
Dieser Glaube ist und bleibt das Grundmotiv jedes schöpferischen Gedankens in der Naturwissenschaft." (10, S. 195) (1938)

Jeder erkennt an, dass jede Wirkung eine Ursache voraussetzt. Und wir verlassen uns darauf, dass wir von der Wirkung auf die Ursache zurückschließen können. Weil das Universum sich ausdehnt, nehmen wir einen Urknall an. Und wir betrachten Urknall als Wirkung des Nichts als Ursache. Wir sagen, dass wir das wissen, obgleich das Nichts eine Angelegenheit des Glaubens ist.

"Die Entwicklung der abendländischen Naturwissenschaft beruht auf zwei großen Leistungen: Der Erfindung des formal logischen Systems (in der euklidischen Geometrie) durch die griechischen Philosophen, und auf der Entdeckung der Möglichkeit, durch systematisches Experimentieren kausale Beziehungen herzustellen.“ (ebd.)

Warum sind wissenschaftliche Modelle glaubhafter als Intuitionen? Wissenschaftliche Modelle beeindrucken durch ihre Genauigkeit. Diese Modelle sind berechenbar. Die meisten Menschen nehmen an, dass eine Berechnung wahrer ist als eine Intuition. Aber eine mathematische Aussage kann nicht wahr, sondern nur richtig sein. Was ist der Unterschied? Wahrheit ist die fühlbare Einsicht der Seele und Richtigkeit ist die berechenbare Einsicht der Vernunft. Was dem Wissen des Verstandes den gewöhnlichen Vorsprung vor dem Wissen der Seele verschafft, das ist dessen sinnlich vernehmbare, objektive Überprüfbarkeit. Was gesehen werden kann, beeindruckt mehr als das, was empfunden werden muss.

Je täuscht dieser Eindruck. Bevor nämlich etwas bewusst wird, wurde es bereits unbewusst gefiltert und für uns persönlich zurechtgemacht. Wir nehmen an, dass wir zuerst sehen und merken nicht, dass dies bereits unbesehen verändert wurde. Wir sehen, nicht, was ist, sondern es ist, was wir sehen.


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